Ein Mäusewalzer
von Claudia Dreier
Ein Mäusewalzer erzählt die Geschichte von Wolfgang Mäusler, der mit dem Zug von Erfurt nach Berlin reist, um seinen alten Freund Ferdinand zu besuchen. Wolfgang begegnet neugierigen Menschen, streunenden Hunden und nicht zuletzt Ferdinands Mäusefreunden in Berlin.
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1 - Wolfgang Mäusler
Graubraunes Fell, etwas sehschwach, aber sonst flink wie eh und je: das war Wolfgang Mäusler. Eines Tages beschloss der Mäuserich seinen alten Freund Ferdinand in Berlin zu besuchen.
Wolfgang und Ferdinand hatten zusammen in Erfurt Musik studiert, gemeinsam eine wunderbare Zeit verbracht. Schmunzelnd erinnerte sich Wolfgang an die stürmische Studentenzeit zurück, in der sie mit zehn Mäusen auf dem Dachboden der Uni gelebt und musiziert hatten. Wie schön warm es im Sommer auf dem Dachboden gewesen war und wie herrlich die Krümel der Brötchen aus der Mensa geschmeckt hatten. Tagsüber war es riskant gewesen, sich in das Menschengetümmel zu wagen. Ach, wie wunderbar war da doch auch die direkte Abkürzung: auf dem Po rutschend, durch die hohlen Wände und direkt in den Unikeller. Der dort lagernde Käse und die köstlichen Kekse: ein einzigartiger Genuss! Wolfgang und Ferdinand hatten es stets geschafft, nicht in diese grässlichen Mäusefallen der Menschen zu tappen.
2 - Mit dem Zug nach Berlin?
Wolfgang lebte im Erfurter Südpark unter einer Birke. Eines schönen Sommerabends saß er nun in seinem Schaukelstuhl im Garten und las das aktuelle Reiseblatt. Dort stand geschrieben, dass man mittlerweile in knapp 2,5 Stunden mit dem Zug in Berlin sein konnte. “Hmm”, dachte sich Wolfgang, “doch wie soll ich es anstellen, in den Zug zu gelangen?”
Da gab es doch die weitgereiste Erika. Sie hatte damals immer berichtet, dass es in guten Zügen einen Speisewagen gäbe. Dieser würde am frühen Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, mit allerlei Leckereien beladen. “Wenn man flink genug ist, gibt es in diesem Abteil immer eine Mitfahrgelegenheit”, hatte John hinzugefügt. John und Erika hatten auf ihren Reisen fast jedes Mal Unterschlupf in der Brötchenkiste gefunden. Die köstlichen Brötchenkrümel waren der perfekte Reiseproviant.
Der Plan nach Berlin zu reisen war also gefasst. Am nächsten Tag wollte Wolfgang zum Erfurter Bahnhof, um sich erst einmal umzusehen, war er doch noch nie an einem Bahnhof gewesen.
3 - Der Erfurter Bahnhof
Gesagt getan, machte sich Wolfgang gleich früh am nächsten Morgen auf den Weg zum Erfurter Bahnhof. Immer noch gut in Form benötigte er flinken Fußes zwei Stunden. Das machte ihm keiner seiner Freunde so schnell nach. Total verschwitzt war sein Fell, als er auf dem Bahnsteig ankam. “Wo fährt denn wohl der Zug nach Berlin los?”, fragte sich Wolfgang.
Aufmerksam lauschte er den Lautsprecherdurchsagen und hörte heraus, dass auf Gleis 4 bald der Zug nach Berlin vorfahren würde. Er nahm allen Mut zusammen und flitzte quer über die Gleise. „Eine Maus! Hilfe! Eine Maus!”, riefen die Menschen. „Na ja”, schmunzelte Wolfgang, “ein Mensch käme auch nicht so schnell zu Fuß über die Gleise.”
Auf Gleis 4 angekommen setzte er sich an einen Mauervorsprung. Mittlerweile kam die Morgensonne durch und trocknete sein nasses Fell. Erschöpft von der ersten Aufregung wartete Wolfgang gespannt darauf, was geschah. Sein kleines Herz pochte so schnell, dass er befürchtete, jemand würde es hören können.
4 - Zweites Frühstück
Während sein Fell in der Morgensonne langsam trocknete, bekam er doch ein wenig Hunger. Genau in diesem Moment setzte sich eine Menschenfamilie auf eine Bank neben ihm und packte zu Wolfgangs Freude eine Menge Frühstücksbrote aus. Natürlich kam es, wie es kommen musste: Beim Essen wurde gekrümelt. Wolfgang beobachtete die Situation vorsichtig und wartete geduldig auf den richtigen Moment.
Nach und nach verteilten sich immer mehr Brötchenkrümel auf dem Boden unter der Bank. Dann fiel auch noch ein winziges Stückchen Käse herunter. Das Menschenmädchen, Lisbeth, trank einen warmen Kakao. Wie köstlich das duftete! Wolfgangs Mäusenase wurde beim Schnuppern immer größer. Endlich passierte es, Lisbeth kleckerte ein paar Tropfen Kakao auf den Boden.
„Jetzt halte ich es nicht mehr aus", dachte Wolfgang und tippelte ungeduldig von einem Bein auf das andere. Flink lief er zu den Krümeln hin, verspeiste ein paar und schlürfte auf dem Rückweg noch einen Schluck Kakao. Er atmete kurz durch und huschte dann noch ein zweites Mal an den Frühstückstisch. Wie lecker!
5 - Abfahrt von Gleis 4
Auf einmal waren die Menschen ganz unruhig. Jetzt wusste Wolfgang auch warum: eine Durchsage kündigte den Zug nach Berlin an. Wie aufregend es war, als der Zug auf das Gleis sauste und mit viel Wind im Mäusefell zum stehen kam.
Wolfgang wollte genau aufpassen, wo der Speisewagen zum Halten kam. Um einen besseren Überblick zu bekommen, kletterte er flugs auf eine Bahnsteiglampe. Was für ein Ausblick! Und durchaus hoch für eine Maus. Wolfgang erspähte den Speisewagen ganz vorne am Zug. Er befand sich auf seiner Laterne ganz in der Nähe. Schnell kletterte er wieder herunter, machte die letzten Zentimeter sogar einen kleinen Sprung. Gerade so konnte er noch einen Blick in das Abteil schweifen lassen, da kam die Durchsage zur Abfahrt.
Ein spannender Morgen ging zu Ende. Mit genug Information machte sich Wolfgang auf den Heimweg. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, auf dem Rückweg in einer Bäckerei Rast zu machen, um sich den Bauch mit Kuchenkrümeln voll zu schlagen. Wieder zuhause angekommen hielt er einen ausgedehnten Mittagsschlaf.
6 - Erinnerungen
Im Halbschlaf erinnerte sich Wolfgang an seine Weggefährten aus dem Studium. Der stürmische Marvin, der durch seinen ewigen Hunger irgendwann des Nachts in eine Mäusefalle getappt war.
Anneliese und Erik: das ewige Liebespaar. Für sie hatten Wolfgang und Ferdinand damals eigens einen Hochzeitswalzer geschrieben. Die Feier auf dem Dachboden war wundervoll gewesen, bis zum Sonnenaufgang hatten sie getanzt.
Dann war da noch die Tanzmaus Erika. Ballett hatte schon damals ihr Mäuseleben bestimmt. Heute lebte Erika mit John in New York und leitete die Ballett Academy East. Lange hatte es gedauert bis sich Johannes und Charlotte endlichen entschieden hatten, doch lieber Tiermedizin zu studieren. Wirklich unendlich schief waren die Töne auf den Celli gewesen.
Die genügsame Ruth hatte ihre Leidenschaft eher beim Kochen entdeckt. Sie lebte heute mit Leopold auf dem Land und leitete eine Bäckerei. Ganz früh hatten die beiden eine Tochter namens Anna bekommen. Noch heute traf sich, wer konnte, an Mittsommer bei Ruth und Leopold zum Krümelfest.
7 - Packen für die Reise
Wolfgang begann sein Gepäck für die Fahrt nach Berlin zusammen zu suchen. “Auf jeden Fall nehme ich die Zeichnung mit, wo die Adresse von Ferdinand draufsteht. Und die Geige darf nicht fehlen, denn es wird bestimmt musiziert”, dachte sich Wolfgang. Er fand noch einen kleinen Beutel mit köstlichen Käseresten, den er in den Geigenkasten stopfte.
Es war gar nicht so leicht gewesen, für die Mäusegeige einen Geigenkasten zu bekommen, aber Geigenbau Brückner hatte es letztendlich möglich gemacht.
Wolfgang legte Koffer, Geigenkasten und seine Kleidung für die Reise neben sein Bett aus Stroh, naschte noch ein paar Kornsamen und putzte sein Mäusefell für den morgigen Tag auf Hochglanz. “Nun aber husch ins Bett”, dachte er sich.
Wolfgang wusste genau, dass ihn die Strahlen der Morgensonne rechtzeitig wecken würden. Der lauwarme Sommerwind ließ die Birkenblätter ein Gute-Nacht-Lied für Wolfgang rascheln. “Ach das wird wunderbar in Berlin”, dachte sich Wolfgang. Vor lauter Aufregung fiel es ihm schwer einzuschlafen.
8 - Auf zum Bahnhof
Wolfgang schlummerte mausetief, bis ihn die ersten Sonnenstrahlen weckten. Wieder pochte sein Herz voller Aufregung und Vorfreude. Er futterte nur ein paar Butterblumen, denn er wusste ja, dass es im Speisewagen noch reichlich zu fressen geben würde. Er warf noch einen kurzen Blick über die Schulter und tippelte dann los in Richtung Bahnhof.
Die neugierige Taube Elfriede gurrte noch spöttisch: “Pass auf, dass du nicht überfahren wirst oder dich eine Katze schnappt.” Wolfgang ignorierte sie, pfiff vor sich hin und machte sich ganz stolz mit seinem Geigenkasten auf den Weg. Jawohl, es ging endlich los. Lange hatte er auf diesen Tag gewartet!
Er kam gut voran und war rechtzeitig auf Gleis 9. Dort suchte er nach einem passenden Unterschlupf, damit ihn die Menschen nicht bemerkten. Da kam eine Spalte am Laternenfuß gerade recht. Sogar den Geigenkasten konnte er hochkant hineinstellen.
Wenig später tönte aus den Lautsprechern die Ankündigung des Zuges nach Berlin. Wolfgang schnappte sich sein Gepäck und wuselte los.
9 - Alle einsteigen!
Hurra! Der Zug fuhr mit einem rasanten Tempo in den Bahnhof ein, so dass der Geigenkasten vom Fahrtwind gegen Wolfgang gedrückt wurde. Der Mäuserich blieb neben einem Papierkorb stehen und wartete dort, bis der Zug anhielt.
Jetzt hieß es flink und auf direktem Weg in den Speisewagen zu gelangen. Es war gar nicht so einfach, die Treppen hoch zu kommen und dann im Zug durch diese blöden Automatiktüren zu schlüpfen. Er war so richtig aus der Puste, als er endlich im Speisewagen ankam. Dort fand er sofort den Vorratsraum und setzte sich direkt neben einen Brötchenkorb. Er schaute sich um und entdeckte eine Leckerei nach der anderen, die natürlich eigentlich für die menschlichen Fahrgäste gedacht waren.
Endlich schlossen sich die Türen und der Zug rollte los in Richtung Berlin. Wolfgang ließ es sich nicht nehmen und schaute kurz aus dem Fenster. Er saß am Fenster, fast wie ein richtiger Fahrgast. Draußen zog langsam der Hauptbahnhof von Erfurt an ihm vorbei.
10 - Im Speisewagen
Der Zug nahm so langsam richtig Fahrt auf und Wolfgang beschloss, in den Brötchenkorb zu klettern. Er machte es sich gemütlich, knabberte an einem Rosinenbrötchen und aß zum Nachtisch etwas von dem mitgenommenen Käse. Die Sonne schien aus voller Kraft durch das Zugfenster. Es war ein herrlicher Tag!
Als er fertig war, rollte Wolfgang sich in eine sichere Ecke zwischen zwei Müllsäcken. Durch die Tür konnte er die Menschen im Speisewagen hören. Ob er wohl einen Blick in die anderen Abteile wagen sollte? “Neugierig bin ich ja schon”, dachte er sich.
Als sich die Tür vom Vorratsraum das nächste Mal öffnete, schlüpfte Wolfgang geschickt durch den Spalt und fand sich mitten im Speisewagen wieder. Wolfgang traute seinen Augen nicht: Hier wurde reichhaltig gespeist! Seine Mäusenase wusste gar nicht, wo sie zuerst schnuppern sollte. So viele köstliche Gerüche, die den Mäusemagen knurren ließ.
11 - Eine Maus!
Wolfgang wurde leichtsinnig, vergaß, wo er war und tippelte träumend durch den Gang im Speisewagen. Plötzlich stand da ein kleines Mädchen, das ihn direkt anschaute. Sie hatte gar keine Angst vor Wolfgang. Im Gegenteil: Sie fütterte ihn mit Croissantkrümeln. Die kleine Madita hatte sichtlich ihre Freude daran, Wolfgang etwas Gutes zu tun. “Mama, schau mal”, sagte sie freudig. “Die kleine Maus ist ganz schön hungrig.”
“Oh nein”, rief die Mutter entsetzt. “Eine Maus!” Wolfgang erschrak und erwachte aus seinem Geruchstraum. Plötzlich schauten mehrere Menschen auf ihn herunter, andere liefen hektisch durchs Abteil. Wolfgang wurde unruhig und lief ziellos zwischen den Menschenbeinen hindurch. Für einen Moment verlor der sonst so coole Mäuserich den Überblick. “Wo ist nur der Speisewagen? Wie komme ich wieder zu meiner Geige zurück?”
Er blieb kurz stehen, sammelte seine Gedanken und sah nach oben. Da senkte sich mit einem Mal ein großes Glas in seine Richtung. Sein Herz pochte wie wild und ließ ihn fast erstarren.
12 - Am Berliner Hauptbahnhof
Im letzten Moment hüpfte Wolfgang zur Seite, schlüpfte durch die Abteiltür und rannte davon. Schnell spurtete er weiter und hoffte, dass er Richtung Speisewagen unterwegs war. Er hatte Glück. Im Speisewagen angekommen legte sich seine Aufregung wieder. Er schlüpfte durch die offene Tür in den Vorratsraum und fand seine Geige und seinen Koffer wie er sie zurückgelassen hatte. Er verkroch sich zwischen den Müllsäcken, kuschelte sich ein und schlief erschöpft ein.
Plötzlich rutschten die Müllsäcke nach vorne. Wolfgang wurde wach und lugte aus seinem Versteck hervor. Der Zug hatte angehalten. Die Zugtüren gingen auf und alle Menschen stiegen aus. Aus den Lautsprechern tönte ein “Willkommen am Hauptbahnhof Berlin”. Wolfgang schnappte sich Geige und Koffer und kletterte aus dem Zug.
Er schaute sich um und fragte sich, wie er aus dem Bahnhof rauskommen sollte. “Einfach den Menschenmassen hinterher”, dachte er sich. Es funktionierte! Über mehrere Rolltreppen kam er zum Ausgang. “Und wie komme ich jetzt zu Ferdinand?” Grübelnd stand er mit seinem Gepäck vorm Bahnhof.
13 - Mit dem Taxi durch Berlin
Wolfgang hörte zufällig wie eine Frau mit einem Taxifahrer sprach. “Glockenstraße 3, bitte”, sagte sie. “Glockenstraße? Da muss ich auch hin!”, dachte sich Wolfgang. Schnell schnappte er sich Koffer und Geigenkasten und war schon bereit am Reifen hoch zu krabbeln, da öffnete der Taxifahrer den Kofferraum. Wolfgang schaffte es gerade noch sich am Rucksack der Frau festzuhalten. Er wurde kurz umher gewirbelt und lag einige Sekunden später im Kofferraum des Taxis.
Im Auto war es stockfinster, aber dafür schön warm. Wolfgang war ganz aufgeregt: Er war noch nie in einem Auto gefahren! Die erste Kurve schleuderte ihn sofort quer durch den Kofferraum. Danach hielt er sich an einer Ecke fest. Nach kurzer Zeit hielt das Taxi an und der Fahrer öffnete den Kofferraum. Wolfgang hüpfte geschickt aus dem Wagen und landete mehr oder weniger sanft auf dem Boden.
Wolfgang lief der Frau hinterher und endete in einem kleinen Innenhof. Er schaute sich um, entdeckte Fahrräder, einen Kinderwagen und ein paar Sträucher. Die junge Frau war schon im Treppenhaus verschwunden.
14 - Musik im Treppenhaus
Wolfgang stand nun in einem Innenhof in der Berliner Glockenstraße. So weit so gut. Er hatte es bis nach Berlin geschafft! Doch er fragte sich, wo Ferdinand wohl wohnen würde. “Immer der Nase nach”, dachte er sich. Er tippelte zum Treppenhaus und streckte die Nase so hoch es ging in die Luft. Im zweiten Stock angekommen wurde er ganz unruhig. Ein vertrauter Mäuseduft kam ihm in die Nase.
Neben einer Wohnungstür entdeckte er ein Mauseloch. Es war winzig, aber für seine Mäuseaugen eindeutig zu erkennen. Aus der Wohnung klang Cellomusik ins Treppenhaus. Wolfgang ließ sich für einen kurzen Moment auf der Fußmatte vor der Wohnung nieder. Die Musik klang wunderschön, so dass ihm ganz warm ums Herz wurde. Er hörte Schritte im Treppenhaus und schlüpfte schnell ins Mauseloch.
In dem Gang hinter dem Loch war es dunkel, doch ganz weit hinten schimmerte ein Licht. “Hallo”, rief Wolfgang zaghaft. “Ist da jemand?” Er zitterte ein wenig am ganzen Körper.
15 - Ein freudiges Wiedersehen
“Hallo!”, rief er noch einmal, diesmal etwas lauter. Plötzlich hüpfte ihm eine Maus entgegen. “Das gibt es doch nicht! Wolfgang bist du es etwa?”, rief die Maus. Es war Ferdinand! Welch eine Wiedersehensfreude zwischen Wolfgang und Ferdinand. Sie beschnupperten sich und hörten gar nicht mehr auf zu tanzen. “Los, komm mit”, sagte Ferdinand. “Ich zeige dir meine Wohnung in der Wand”.
Wolfgang staunte nicht schlecht. Die Wohnung war sehr geräumig. “Warum gibt es hier so viele Holzspäne?”, wollte Wolfgang wissen. Ferdinand erzählte, dass er Maria in der Musikschule kennengelernt hatte und sich gerade vergrößern wollte. “Meistens bin ich abends aktiv, um meinen Mausbau zu erweitern”, erklärte Ferdinand .
Wolfgang und Ferdinand setzten sich in eine gemütliche Ecke und hatten sich bis spät in die Nacht etwas zu erzählen. Weit nach Mitternacht schliefen beide selig ein. Am nächsten Morgen weckte sie das Geräusch der Dusche, was durch die Wand drang.
16 - Die Umgebung
“Heute zeige ich dir meine Umgebung hier in Berlin”, verkündete Ferdinand nach dem Frühstück. Gesagt, getan. Beide Mäuse schlüpften durch das Mauseloch ins Treppenhaus.
“Wir müssen vorsichtig sein, weil auch die Menschen ihre Wohnungen um diese Zeit verlassen”, erwähnte Ferdinand noch, als sich auch schon die Wohnungstür öffnete. Die beiden drückten sich eng an die Wand. “Ach, schau”, flüsterte Wolfgang. “Das ist die junge Frau von gestern aus dem Taxi.” “Wie die duftet”, bemerkten beide Mäuse. Geschwind huschten sie die Treppen hinunter zum Ausgang. “Wenn du hier mal eine geschlossene Tür antriffst, ist immer genug Platz, um neben oder unter der Tür in den Innenhof zu gelangen”, erklärte Ferdinand. Er war wirklich sichtlich überglücklich, dass Wolfgang da war und hörte gar nicht auf zu reden.
Draußen auf der Straße liefen sie mal an den Hauswänden, mal an den parkenden Autos entlang. Die Menschen gingen auf dem Gehweg oder fuhren auf der Straße. Hunde gab es hier auch, doch die Mäuse waren flink unterwegs. “Wo laufen wir denn hin?”, fragte Wolfgang. “Lass dich überraschen”, sagte Ferdinand.
17 - Das Tempelhofer Feld
Nach einiger Zeit waren Wolfgang und Ferdinand auf einem riesigen Feld angekommen. “Das ist ja riesig”, staunte Wolfgang. “Wo sind wir?” “Das ist das Tempelhofer Feld”, erklärte Ferdinand. “Früher war hier ein Flughafen, aber heute ist hier Platz für alles mögliche.” Sie gelangten zu einer Art Schrebergarten und legten sich dort in eine Blumenwiese. Die Sonne wärmte ihr Fell. Es dauerte nicht lange, bis beide zwischen Kornblumen und Sonnenblumen eingeschlafen waren.
Kinderlachen weckte Wolfgang und Ferdinand. “Was ein herrlicher Tag”, dachten wohl beide, als sie an einer Blumenzwiebel knabberten. Sie kletterten auf eine Gießkanne und erfrischten sich mit Wasser. Gut gestärkt gingen sie wieder zurück zur Wohnung.
Denn schließlich wollte Wolfgang weiter mit Ferdinand die Wohnung renovieren. Es war später Nachmittag und das Kratzen an der Wand begann. Wolfgang lachte: “Wie gut, dass wir noch so stabile Zähne haben.” Sie kamen gut voran mit ihrer Arbeit. Ab und zu klopfte es an der Wand, aber die beiden nagten und kratzten unermüdlich weiter.
18 - Dusche im Sommerregen
So ging ein Nachmittag voller Arbeit ins Land. Ganz schön staubig waren die beiden Mäuse dabei geworden. Eigentlich sahen sie aus wie kleine Wollmäuse. Wenn sie sich schüttelten, staubte es so richtig. “Ich habe eine Idee”, sagte Ferdinand. “Lass uns raus in den Innenhof gehen und uns im Regen abduschen.” “Das klingt toll”, antwortete Wolfgang.
Sie hinterließen mit ihren Füßen eine Staubspur im ganzen Treppenhaus. Der warme Sommerregen reinigte ihr Fell und hinterließ um sie herum eine graue Pfütze. Sie tanzten und freuten sich riesig über diese warme Dusche. Zurück durchs Treppenhaus sah man nasse Spuren. In der Mäusewohnung war es warm, sodass ihr Fell schnell trocknete.
Die beiden saßen im Dunkeln und knabberten Käse mit trockenen Brotkrusten. Ferdinand zeigte Wolfgang ein Loch in der Fußleiste. Neugierig schauten sie abwechselnd durch das Loch. Sie sahen ein Schuhregal, daneben eine Garderobe. Sie schnupperten mit langgezogenen Nasen. Köstlich wie es nach Nudeln mit Pesto roch. “Schau mal”, sagte Wolfgang. “Da ist wieder die Frau aus dem Taxi.”
19 - In der Wohnung
Ferdinand und Wolfgang waren ganz begeistert, von dem, was sie durch das Loch in der Fußleiste sahen. Vor dem Schlafengehen fassten sie den Entschluss, am nächsten Morgen in die Wohnung zu gehen.
Die ersten Sonnenstrahlen weckten die Mäuse auf. Ferdinand konnte es kaum erwarten und wollte sofort los. “Komm”, sagte er zu Wolfgang. “Lass uns die Wohnung hinter der Fußleiste erkunden.” Gesagt, getan, schlüpften sie beide durch das Loch. Jetzt einfach rechts herum und sie standen in der Einraumwohnung. “Wie süß”, flüsterte Wolfgang. “Die Frau schläft noch”. Da standen ein Cello, Blumen auf der Fensterbank, ein Schlafsofa, Tisch und Stühle. Plötzlich klingelte der Wecker und die Frau wurde wach.
Geschwind machten sich die beiden Mäuse auf den Weg zurück in die Mäusewohnung. Sie beschlossen, noch ein paar Stunden weiter die Wohnung zu renovieren. Dabei wurde natürlich wieder viel geknabbert.
20 - In der Musikschule
Am nächsten Morgen weckte Ferdinand Wolfgang und sagte mit aufgeregter Stimme: “Heute zeige ich dir die Musikschule nebenan. Dort ist es fast so wie früher in der Uni.”
Durch den Innenhof machten sie sich auf den Weg in das Nebengebäude. Sie schlüpften durch einen Spalt neben der Eingangstür und standen in einem riesigen Treppenhaus. Sie kletterten geschickt die breiten Steintreppen nach oben. Vor einigen Räumen blieben sie stehen und lauschten dem Musikunterricht - Klarinette, Bratsche, Klavier - “Das klingt toll!”, sagte Wolfgang. “Abends wird hier sogar getrommelt”, meinte Ferdinand.
Auf dem Dachboden angekommen, traute Wolfgang seinen Augen kaum. Hier trafen sich viele Mäuse, um gemeinsam zu musizieren. “Das ist ja ein ganzes Orchester”, rief Wolfgang erstaunt. “Und da vorne sitzt meine Maria und spielt Geige”, erwiderte Ferdinand. Sein Herz pochte voller Freude.
“Heute Abend lade ich euch alle auf eine Feier zu mir in die Wohnung ein”, erklärte Ferdinand freudig in die Runde.
21 - Partyvorbereitungen
“Haben wir denn alles für eine Feier?”, fragte Wolfgang. “Nein, aber ich weiß, wo wir leckeres Essen bekommen können”, antwortete Ferdinand.
So tippelten die beiden Mäuse durchs Treppenhaus der Musikschule auf die Straße, bogen zweimal links ab und schon standen sie vor einem Supermarkt. Hier gab es jede Menge Leckereien. Die beiden überlegten: “Was nehmen wir denn mit?” Sie waren insgesamt 3 Stunden damit beschäftigt Käsereste, Brot und Schokolade vom Supermarkt in Ferdinands Wohnung zu schleppen.
Auf dem letzten Weg trafen sie Rudi, den streunenden Hund. “Na, gibt es bei euch heute Abend eine Party?”, fragte dieser neugierig. “Richtig geraten!”, plapperten beide Mäuse. “Tja”, meinte Rudi. “Ihr solltet es genießen, denn ich habe gehört, dass es euch an den Kragen gehen soll. In eurem Treppenhaus werden Mäusefallen aufgestellt.”
Ferdinand und Wolfgang schauten sich kurz an, ließen sich ihre Feierlaune aber nicht verderben und gingen weiter.
22 - Ist es hier noch sicher?
Während sie durch den Innenhof tippelten, erklärte Ferdinand, dass immer mehr Mäusefamilien nach Berlin kämen, weil es hier so einfach sei Nahrung und einen Unterschlupf zu finden. “Aber die meisten Menschen mögen keine Mäuse in ihren Wohnungen und möchten uns loswerden”, fügte er hinzu. Als sie durch den Türspalt ins Treppenhaus schlüpften, stand da plötzlich eine Mausefalle. “Das wäre beinahe schief gegangen”, sagte Wolfgang erschrocken.
Während sie die Wohnung für die abendliche Feier herrichteten, machte Wolfgang sich noch weiter Gedanken, ob Berlin wohl der richtige Ort für seinen Freund Ferdinand sei. Ferdinand erweiterte das Wohnzimmer noch ein wenig, als es plötzlich an die Wand klopfte. “Meinst du, die Frau aus der Wohnung hat die Fallen aufgestellt?”, fragte Wolfgang. “Nein, das glaube ich nicht”, sagte Ferdinand zu seinem Freund.
Ein wenig Sorgen machte Ferdinand sich nun aber schon. Er mochte seine Wohnung sehr, besonders nach all den Renovierungen. “Aber ist es hier noch sicher?”, fragte er sich.
23 - Eine Mäusefeier
Die ersten Gäste kamen zur Feier und waren in bester Laune. In weniger als fünf Minuten war Ferdinands Wohnung rappelvoll. Alle ließen sich den Käse und das Brot schmecken. Maria aß überwiegend Schokolade. Einige Mäuse hatten ihre Instrumente mitgebracht und begannen zu spielen. Die anderen tanzten zur Musik und knabberten vor Freude die Wände an.
Auf einmal hörten sie Cellomusik von der anderen Seite der Wand. Die Mäuse hielten inne und lauschten dem lieblichen Cellospiel. Neugierig wie die Mäuse waren, schaute sie alle mal durch das Loch in die Wohnung.
Maria wollte nach Hause, weil ihr richtig übel war. Ferdinand blickte sie besorgt an. Plötzlich funkelten ihre Augen und sie verriet voller Freude, dass sie ein Baby erwarte. “Ach wie wunderbar”, piepste Ferdinand und nahm Maria in den Arm. Die ganze Mäusebande gratulierte dem jungen Elternpaar. So ging ein toller Abend zu Ende.
Ferdinand beschloss, am nächsten Tag mit Maria und den anderen über einen möglichen Umzug zu sprechen.
24 - Umzug aufs Land?
Früh am nächsten Morgen besuchten Ferdinand und Wolfgang ihre Mäusefreunde auf dem Dachboden der Musikschule. “Ist etwas passiert?”, fragte Maria. “Die Menschen stellen Mäusefallen auf. Ich fühle mich hier nicht mehr sicher”, antwortete Ferdinand.
Wolfgang erzählte, dass ihre Freunde aus Studienzeiten, Johannes und Charlotte, nicht weit von Berlin in einem Dorf im Wald wohnten. “Stimmt, in Beelitz!”, sagte Ferdinand. “Dort gibt es im Frühjahr jede Menge Spargel und Erdbeeren. Und Ruth und Leopold arbeiten in einer Bäckerei in der Nähe.” “Ich habe von einem Baumkronenpfad gehört, den vielen Menschen besuchen und Essensreste herunterfallen lassen”, fügte Maria hinzu. “Ach wie schön”, schmunzelte Wolfgang. “Vielleicht komme ich für eine Weile mit euch mit.”
Der Plan Berlin zu verlassen war gefasst. Am nächsten Morgen würden sie sich mit vier weiteren Mäusen treffen, um sich ganz früh auf den Weg nach Beelitz zu machen. Die beiden gingen zur Wohnung zurück und begannen alles für den Umzug und die lange Reise zu packen.
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Die Geschichte "Ein Mäusewalzer" ist von Claudia Dreier geschrieben.Bildrechte
Hintergrundbild von Haris Besic auf UnsplashHaftungsausschluss
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